Blasenschwäche sowie Trink- und Miktionsverhalten


Tagebuch Trink- und Miktionsverhalten

 

Autorin:
Maya Elmiger-Imgrüth, Physiotherapeutin Beckenbodenrehabilitation

 

Blasenschwäche und unwillkürlicher Urinverlust ist nicht ein Problem, mit dem man sich abfinden muss. Es ist nie zu spät, aktiv etwas gegen die verlorene Blasenkontrolle zu unternehmen. Es gibt verschiedene Massnahmen und Produkte, welche helfen, die Blasenschwäche zu vermindern oder sogar zu beheben. Bevor wir mit Beckenbodentraining jeglicher Art beginnen, stellen wir uns ein paar Fragen:

  • Muss ich deutlich öfter Wasser lassen als früher?

  • Habe ich manchmal plötzlichen und unkontrollierten Drang zum Wasserlösen?

  • Habe ich schon einmal Urin verloren, weil ich die Toilette nicht mehr rechtzeitig erreichen konnte? Oder verliere ich manchmal Urin beim Lachen oder Husten?


Ein Tagebuch ist aufschlussreich

Nebst diesen Fragen ist es sinnvoll, ein Tagebuch über das Trink- und Miktionsverhalten zu führen.

 
Miktionsverhalten meint, wie oft jemand auf die Toilette geht und wie viel Urin dabei gelöst wird.
 

Im Zusammenhang mit dem Miktionsverhalten beobachten wir auch das Trinkverhalten. Trinken und Wasserlösen hat einen grossen Zusammenhang. Aus dem Trink- und Miktionstagebuch kann man verschiedene wichtige Erkenntnisse ziehen, welche helfen, die Blasenschwäche zu verbessern. Unter Umständen kann durch eine Veränderung des Trink- und/oder Miktionsverhaltens bereits eine Besserung der Harninkontinenz bewirkt werden.


Wie gehe ich beim Erfassen des Trink- und Miktionsverhaltens vor?

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Zur Erfassung des Trink- und Miktionsverhaltens besorgt man sich

  • einen Messbecher (zum Beispiel ein Litermass) und

  • ein Trink- und Miktionstagebuch. Eine Vorlage stellen wir Ihnen hier gerne zum Download zur Verfügung:


Schon kann es losgehen:

  1. Das Miktionstagebuch sollten Sie jederzeit bei sich tragen, um die Beobachtungen immer zeitnah aufschreiben zu können. Jedes Mal, wenn Sie etwas trinken, Wasser lösen oder unfreiwillig Harn verlieren, notieren Sie die Uhrzeit und die Einzelheiten in Ihr Tagebuch.

  2. So wird über 24 Stunden genau dokumentiert, wie viel und wann man etwas trinkt. Die Trinkmenge wird in «Gläser und Tassen» gemessen. Interessant ist auch zu wissen, um welches Getränk es sich handelt (z. B. Kaffee, Tee oder Wasser).

  3. Zusätzlich wird notiert, wie viel und wann Wasser gelöst wird und wie es sich mit dem Harndrang dabei verhält. Zum Beispiel «plötzlicher Harndrang», sodass es kein zum Warten mehr gibt oder «normaler Harndrang». Der Urin wird bei jeder Miktion im Litermass gesammelt und gemessen.

  4. Weiter wird notiert, ob und wann es zu ungewolltem Urinverlust kommt. Dabei wird dokumentiert, wie viel Urin verloren ging, z. B. Tröpfchen, Spritzer oder mehr. Zusätzlich wird notiert, bei welcher Tätigkeit der Urin verloren ging. Zum Beispiel beim Husten, Niesen oder Lachen, beim Sport oder einer körperlichen Anstrengung oder ohne Grund.

  5. Eine weitere wichtige Information ist die Einnahme von Medikamenten. Speziell die Einnahme von wassertreibenden Medikamenten (Diuretika) kann das Miktionsverhalten wesentlich beeinflussen.

  6. Nach 24 Stunden können Sie die Werte analysieren.


Folgende Werte werden aus dem Protokoll errechnet:

  • Gesamt-Trinkvolumen über 24 Stunden

  • Gesamt-Urinmenge über 24 Stunden

  • Anzahl Miktionen pro Tag und in der Nacht

  • Urinmenge pro Urin

  • Zeitintervall zwischen den Miktionen

  • Durchschnittliche Trinkmenge und Urinmenge

  • Das Gesamt- Trinkvolumen über 24 Stunden sollte zwischen 2 bis 3 Litern liegen.

  • Die Gesamt-Urinmenge über 24 Stunden sollte dementsprechend mehr als 2 Liter betragen.


Datenauswertung und Interpretation

Anzahl WC-Gänge in 24 Stunden
Nun ist es sehr interessant zu schauen, wie oft man über 24 Stunden Wasser lösen musste. Das ergibt die Anzahl Miktionen pro Tag und in der Nacht. Normal ist es, ungefähr 6 Mal pro Tag Wasser zu lösen.

Toilettengang in der Nacht
Jüngere Personen sollten nachts grundsätzlich nicht Wasserlösen müssen. Im fortgeschrittenen Alter ist es normal, wenn einmal in der Nacht die Toilette besucht wird.

Urinmenge und Intervall
Die Urinmenge pro Miktion sollte zwischen 300 bis 500 ml betragen. Zwischen den Miktionen sollten 3 bis 4 Stunden vergehen, das ergibt das Zeitintervall zwischen den Miktionen.

Unterschiedliche Tage
Es ist klar, dass jeder Tag wieder ein bisschen anders aussehen kann. Einen Einfluss auf diese Werte hat zum Beispiel das Wetter. Ist es sehr heiss, wird viel mehr getrunken und geschwitzt. Oder wird an einem Tag viel Sport getrieben, wird auch mehr getrunken und geschwitzt. Deshalb ist es interessant, diese Messung an verschiedenen Tagen durchzuführen und dann die Tage zu vergleichen.


Welche Probleme kann ich dem Trink-und Miktionstagebuch entnehmen?

Zuerst überprüfen wir das Trinkvolumen über 24 Stunden. Auch wenn es widersinnig klingt:

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Es ist sehr wichtig, genug zu trinken.
Ungefähr 2 Liter am Tag sind ein Muss. Wer zu wenig trinkt, hat einen konzentrierten Urin, der den Blasenmuskel reizt.

Auch Koffein und Alkohol reizen die Blase und sollten nur in kleineren Mengen konsumiert werden. Nebst der Reizung der Blase ist auch das geringe Volumen ein Problem. Die Blase verliert ihre Speicherkapazität, wenn sie nur wenig Urin speichern muss. Erkennen Sie aus dem Tagebuch, dass Sie zu wenig trinken, dann steigern Sie allmählich ihre tägliche Trinkmenge auf 2 bis 3 Liter und beobachten, was sich damit verändert.

Ein Verlust der Speicherkapazität kann auch beim folgenden Problem auftreten:

Ist die Anzahl der Miktionen über 24 Stunden zu hoch? Das heisst, man besucht mehr als 6 bis 7 Mal pro Tag die Toilette zum Wasser lösen. Und ist die durchschnittliche Urinmenge pro Miktion zu klein? Das heisst, es wird weniger als 300 ml Wasser gelöst pro WC-Besuch. In diesem Fall sollten Sie an ihrem «WC-Verhalten» arbeiten. Das heisst konkret: Sie versuchen, weniger oft aufs WC zu gehen und somit die Urinmenge pro Miktion zu steigern. So lernt die Blase wieder ihre Speicherkapazität zu erfüllen.


Hilfreiche Tipps für die Reduktion von WC-Gängen und Steigerung der Urinmenge

Hier ein paar Tipps, dass dies besser gelingt: Bei Harndrang versuchen Sie, sich abzulenken und unterdrücken somit den Harndrang. Vielleicht hilft es, sich dabei bewusst zu entspannen. Zusätzlich hilft es, die Beckenbodenmuskulatur anzuspannen. Dies löst einen Reflex aus, der den Harndrang hemmt. Es kann auch helfen, auf die Zehenspitzen zu stehen oder durch Lageveränderung die Blase in eine andere Position zu bringen. Zum Beispiel vom Stehen ins Sitzen oder liegen.


Belastungsinkontinenz oder Dranginkontinenz/Reizblase?

Vielleicht ist es möglich, dass Sie aus Ihrem Tagebuch herauslesen können, ob es sich bei Ihrem Problem eher um eine Belastungsinkontinenz, also einer Schwäche der Beckenbodenmuskulatur handelt. Dies zeigt sich in unkontrolliertem Urinabgang bei körperlichen Belastungen wie Springen, Hüpfen, Husten, Lachen etc. Dieses Problem kann durch ein aktives Beckenbodentraining oft gut behandelt werden. Bei geringen Problemen können Sie durchaus selber mit Beckenbodenübungen beginnen und beobachten, ob eine Besserung eintrifft. Bei Problemen im grösseren Ausmass empfiehlt es sich, eine Fachperson zu konsultieren.

Oder Sie erkennen, dass es infolge eines ständigen Harndranges zu häufigem Wasserlassen oder gar zu dranghaften Urinverlust kommt. Das weist auf eine Dranginkontinenz hin. Dann liegt die Störung in der Blase selbst und nicht in der Beckenbodenmuskulatur. Die überaktive Blase (Reizblase) lässt sich auch behandeln, braucht aber zuerst eine korrekte Diagnosestellung eines Arztes.



Zusammenarbeit mit Arzt und Beckenbodentherapeutin

Es kann auf jeden Fall sinnvoll sein, das Trink- und Miktionstagebuch mit einem Arzt oder einer Beckenbodentherapeutin zusammen zu analysieren. Eine Fachperson kann weitere Probleme aus den Beobachtungen ableiten, eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Inkontinenzformen vornehmen und die richtige Therapie in die Wege leiten. Auf jeden Fall ist es auch für die Fachperson sehr aufschlussreich, wenn Sie bereits ein Trink- und Miktionstagebuch geführt haben.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Beobachten Ihres Trink- und Miktionsverhaltens.